Instabilität - Bezeichnung für den Zustand eines dynamischen
Systems, bei dem bereits geringe Fluktuationen zum Übergang
des Systems entweder in einen anderen, stabileren Zustand führen
oder es immer vom ursprünglichen Zustand entfernen
Kunst ohne Rezept - Ein kulinarisches Symposium
Zum zweiten Mal findet im Rahmen des garage-Festivals ein Symposium
statt, das die Möglichkeit geben soll, das Thema des Festivals
auch theoretisch zu reflektieren. Einen Tag lang stehen Vorträge,
Projektvorstellungen, Performances und Werkstattberichte von den
vergangenen Festivalwochen auf dem Programm. Die Teilnehmerzahl
ist begrenzt - um Anmeldung wird gebeten (info@garage-g.de).
Künstlerische Arbeit mit digitalen Medien bedeutet stets, dass
man sich auf die Prozesshaftigkeit der Technologie und auf die ihr
inhärente Instabilität einlassen muss. Die zunehmende
Bedeutung von Software für die künstlerische Produktion
hat dies nur umso deutlicher werden lassen: Während bestimmte
Prozesse programmiert werden können, entzieht sich ein entscheidender
Teil künstlerischer Kreativität dem Programm-Code und
drückt sich in Gesten, in Öffnungen, in Unwägbarkeiten
aus.
Wir sprechen an diesem Tag über Kunst als Spekulation, als
Praxis durch und jenseits der Programme und Rezepte. Und um der
Theorie einen manifesten Ausdruck zu geben, wollen wir das Symposium
durch eine Reihe von Mahlzeiten strukturieren, die sich als Verstärkung
oder als Kontrapunkte zu Vorträgen, Präsentationen und
künstlerischen Interventionen verhalten. Eine besondere Qualität
digitaler Systeme ist ihre verlustfreie Reproduzierbarkeit. In diesem
kulinarischen Symposium jedoch wird der Konsum, das Verbrauchen,
das Verzehren als wichtige Dimension künstlerischer Arbeit
dem Prinzip der Reproduktion entgegen gesetzt. Konzepte wie 'File-Sharing'
und 'Cooking Pot Markets', Manifestationen elektronischer Instabilität
und das Perpetuum Mobile generativen Codes werden bei süßen
und salzigen Snacks, bei Suppen, Puddings und anderen Leckereien
materialisiert und mit allerlei Getränken verflüssigt.
Die fünf Gastgeber präsentieren je eine Mahlzeit (Frühstück;
Mittagessen; Kaffee & Kuchen; Vesper; Nachtmahl) und reichen
dazu, davor oder danach eine diskursive oder performative Beilage,
die sich mit den Grenzen der Programmierbarkeit künstlerischer
Arbeit beschäftigen. Der diskursiv-kulinarische Anspruch des
Symposiums ist durchaus ernsthaft, die soziale Qualität eines
gemeinsamen Essens, von gemeinsamer Zubereitung über Verzehr
bis zu konzentrierten Ruhephasen zwischen den Mahlzeiten, soll als
Katalysator für eine intensive Kommunikation funktionieren.
(Alle eingeladenen Referenten beschäftigen sich aktiv mit den
verschiedenen Formen sozialen Feedbacks auf künstlerische Produktion
und arbeiten in den grenzbereichen Medien, Lehre und Forschung,
(Kultur-)Politik, Öffentlichkeit und Kunstproduktion.)
Kuratiert und moderiert wird die Veranstaltung von Andreas Broeckmann,
künstlerischer Leiter des internationalen Medienkunstfestivals
transmediale" in Berlin.
Dr. Andreas Broeckmann - Code
und Konsum, Rezept und Verzehr
Dr. Andreas Broeckmann (Medienwissenschaftler, Berlin, *1964)
lebt und arbeitet in Berlin. Er hat Kunstgeschichte, Soziologie
und Medienwissenschaft studiert und von 1995-2000 als Projektleiter
für das Rotterdamer Institut für instabile Medien, V2_Organisation,
gearbeitet. Seit Herbst 2000 ist er künstlerischer Leiter der
transmediale - internationales medienkunst festival berlin. Er ist
Mitglied des Berliner mikro e.V. und Mitbegründer und Co-Koordinator
des European Cultural Backbone, einem Netzwerk europäischer
Medienkulturzentren.
Texte (Auswahl):
> http://www.v2.nl/abroeck
> und über:
http://www.nettime.org
transmediale >
http://www.transmediale.de
Antye Greie - Prozess,
Kopie und Wiederholung (Musikerin, Berlin)
Antye Greie bearbeitet als Musikerin, Künstlerin und Autorin
im Umfeld des Berliner Labels Kitty-Yo das weite Gebiet zwischen
Elektronik, Netz, Kommunikation und Stimme. Mit ihrem international
erfolgreichen Projekt »Laub« veröffentlichte sie
bisher drei Alben und experimentiert auf elektronisch-improvisatorischer
Basis mit Sprache, Open Sources (Netz) und kooperiert mit Video
(Pfadfinderei Mitte, Kunstfernsehen). Mit zahlreichen internetbasierten
Partnern (betalounge.com, freshmilk.de u.a.) bestreitet sie auf
der Seite der Content-Anbieter den Umgang mit neuen Medien und Technologien
wie Audio Stream (Netzradio), Audio Download/E-Commerce und Netz-TV
und beschäftigt sich mit den daraus resultierenden kulturpolitischen
Entwicklungen, wie Urheberrechte und Wertfragen im digitalen Raum.
Erik Hobijn / Arlette Muschter (Amsterdam/NL)
The Tactile Machine 1
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Die Installation bezieht sich auf das Werk des italienischen Futuristen
Marinetti und seine besondere Sichtweise auf Maschinen, insbesonder
auf das Rezept für »Das taktile Dinner« aus dem
»Futuristischen Kochbuch« von 1932. Wichtig waren auch
die Arbeiten von Bas Jan Adler. »The Broken Wall« Westkapelle,
1970, Franz Feigels Rezept »A Commitment of Friends«,
1996, Yuri Yakoulows Kostüme für das Ballett »Le
pas dacier«, London 1927, und Patrick C.P. Faas
historisches Kochbuch »Round the Roman Table« von 1994.
»The Tactile Machine« ist eine Lebensmittel-Installation,
eine Performance oder, wie Marinetti es nannte, eine »Formel«
für ein mögliches Mahl. Die Grundlage unserer »Formel«
ist ein Exkurs über und mit dem menschlichen Körper; für
die Gäste ist es außerdem die Erfahrung eines geteilten
Körpers, da sie, idealerweise ein Paar, die sinnliche Mischung
aus kulinarischer und körperlicher Erfahrung genießen.
Die Hauptinstallation setzt sich zusammen aus einem kräftigen
Stahlrahmen, der um ein pneumatisches kippbares Bett oder besser
Tisch gebaut ist. Der Rahmen ist recht groß und ca. 3 m hoch.
Darüber hinaus gibt es hochfunktionale Kleidungsstücke
(aus alten Armeezeltplanen, Leinen und teilweise neudesignten Küchengerätschaften
zusammengesetzt), eine Lebensmittelkanone und einen bionischen Bierarm.
Das Dinner ist für 2 Gäste gedacht, am besten ein Paar.
Eine Person legt sich auf den kippbaren Tisch, die andere isst von
dem liegenden Körper. Als Getränk wird Bier gereicht,
die Flaschen werden von der bionischen Bierhand geöffnet. Insgesamt
gibt es vier verschiedene Günge an vier verschiedenen Punkten
des Körpers.
Thilges3 (Wien/A)
Eingriffe (Assoziationen)
mobile Klanginstallation/Performance
Im August 2003 werden Thilges3 vor Ort an einer temporären
mobilen Soundinstallation arbeiten.
Die als »Sozialakustik« definierte Arbeitsweise verfolgt
Spuren öffentlichen Lebens. Wie schon in dem Projekt »Die
offene Gesellschaft« wurde bewusst mit den jeweiligen Erwartungshaltungen
von 4 verschiedenen (Altersheim, Kindergarten, Kloster, Gefängnis)
sozialen Positionen gearbeitet. Die Soundinstallation ist das Medium
für die Auseinandersetzung mit Stralsund und seinen Bewohnern.
Live agierend, aber auch als autarke, automatisierte Audioskulptur
werden Thilges3 in lokale Gewohnheiten eingreifen. Reaktionen werden
dokumentiert und anderorts weiterverarbeitet. Dem Konzept des diesjährigen
Festivals wird insofern Rechnung getragen, als dass die Aktionen
und Interventionen spontan passieren. Ein portables hochwertiges
Tonstudio macht dies möglich. Am letzten Tag des Festivals
werden die gesammelten Ergebnisse zu einem Werk zusammengeschweißt
und live präsentiert.
Eingriffe (Assoziationen): Muezzin singt vom Turm einer protestantischen
Kirche; in der Straßenbahn wird die Stationsansage manipuliert;
fiktive Werbeeinschaltungen, Irritationen; Verkehrslärm an
einer Kreuzung in der Fußgängerzone.
Installationen: Frisiersalon - Musik unterlegt Klatsch aus aller
Welt. Beim Metzger - Muzzak mit natural enviroments, Urwald, Zoo,
Alm
Sozialakustik. Was landläufig unter »Bespielen«
verstanden wird, wird bei Thilges3 zur differenzierten Auseinandersetzung
mit dem Ort, seinem Publikum und dessen Vorstellungswelten. Die
Unterhaltung verliert ihre Unschuld, sobald sie mit dem Spiel mit
Erwartungshaltungen, mit Haltungen und Widersprüchlichkeiten
dieser künstlerischen Ausdrucksform konfrontiert wird.
> http://www.thilges.at
Dr. Simon Waters - Klang
und Genuss (Norwich/UK)
SSimon Waters untersucht in seiner Arbeit die Beziehung zwischen
Musik (Produktion und Rezeption) und aktuellen gesellschaftlichen
und kulturellen Gegebenheiten. Er beschäftigt sich dabei insbesondere
mit Kulturwissenschaftlichen Ansätzen zu Film, elektronischen
Technologien, Materialkultur und Postmodernismnus. Waters hat für
Theater, Installationen und zeitgenössischen Tanz gearbeitet.
Als Direktor der Electroacoustic Music Studios organisiert er Konzerte
und andere öffentlichen Aktiviäten innerhalb der Universitat,
in UK und im Ausland. Er genießt einen internationalen Ruf
als
elektroakustischer Komponist, erhält Auszeichnungen und Auftragsarbeiten
und spricht regelmäßig auf Konferenzen. Zur Zeit ist
der Direktor von zwei Forschungsprojekten an der School of Music:
Advanced Research in Aesthetics in the Digital Arts und SARA (Sonic
Arts Research Archive)
> http://www.ariada.uea.ac.uk/
> http://www.sara.uea.ac.uk/
Informationen zu den Symposiumsbeiträgen in Kürze auf
dieser Webseite.
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